Aus- und Weiterbildung sowie Kompetenzerhalt im Bereich der zerstörungsfreien Analyse von radioaktiven Stoffen und Abfallprodukten aus Stilllegung und Rückbau kerntechnischer Anlagen
Projektleiter: Dr. Thomas Bücherl
Wissenschaftler: Dr. Stefan Rummel, Anton Kastenmüller
Das diesemBericht zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 15S9443 gefördert.
Projektlaufzeit: 01. Juni 2023 bis 31. Mai 2025
1 Einleitung
Die Stilllegung kerntechnischer Anlagen stellt große Herausforderungen an die Deklaration der hierbei entstehenden Abfälle. Dies wird durch Änderungen bestehender bzw. Einführung neuer Regelungen, auch im Hinblick auf bereits existierende (Alt-)Abfälle, weiter verschärft. Dem soll durch Entwicklung technischer Neuerungen bei der zerstörungsfreien Analyse von (Alt-)Abfällen (z. B. durch innovative Analyseverfahren) und der Entwicklung von Verfahren zur Automatisierung von Prozessen bei der Abfalldeklaration ebenso begegnet werden wie im Bereich der Freimessung durch Entwicklung und Optimierung von Verfahren zur Freigabe der anfallenden Reststoffe unter Berücksichtigung des Strahlenschutzes.
Da sich der Rückbau noch über Jahrzehnte hinziehen wird, erfordert dies den langfristigen Erhalt der entsprechenden spezifischen Fachkompetenzen. Dies gelingt nur durch kontinuierliche Fort- und Weiterbildung des bereits involvierten Personenkreises bei gleichzeitiger Ausbildung des technisch-wissenschaftlichen Nachwuchses.
Das hier vorgestellte Vorhaben hat die Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung, den Kompetenzerhalt sowie die Vermittlung von allgemeinen Informationen aus den Bereichen Produktkontrolle und Charakterisierung radioaktiver Abfälle zum Ziel und adressiert einen breiten Personenkreis, der auszugsweise in nachfolgender Auflistung mit möglichen Motivationsgründen aufgeführt ist.
- interessierte Bürger, die sich z. B. im Rahmen des angestrebten partizipativen Ansatzes bei der Suche nach einem Endlager über diesen Bereich näher informieren möchten,
- Studenten, welche im Rahmen ihrer Ausbildung ergänzende Kenntnisse erlernen und/oder erlerntes Wissen (praxisnah) vertiefen oder sich über die vielfältigen Aufgabenbereiche und Tätigkeitsfelder im Bereich Produktkontrolle und Charakterisierung radioaktiver Abfälle informieren möchten,
- Wissenschaftler, welche sich über den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik bzw. Forschung informieren möchten,
- Techniker und Nutzer von Messsystemen zur Charakterisierung radioaktiver Abfälle, die ein besseres Verständnis der grundlegenden Funktionsweisen der Messsysteme und ihrer Analyse- und Auswertemethoden sowie deren Einbindung in den allgemeinen Ablauf der Produktkontrolle und Charakterisierung radioaktiver Abfälle erhalten möchten,
- Hersteller von Messsystemen, welche sich vertieft mit den entsprechenden Fragestellungen auseinandersetzen und/oder alternative Methoden kennenlernen möchten,
- Behördenvertreter, die sich über spezielle Fragestellungen zu Messsystemen bzw. Messverfahren informieren möchten, wie z. B. welche Informationen man aus deren Messergebnissen ableiten kann bzw. welche nicht,
- Gutachter, die bestimmte Verfahrensabläufe bewerten sollen und sich über die Funktionsweise von einzelnen Messsystemen und ihre Grenzen informieren möchten.
Diese unvollständige Liste ist auch noch hinsichtlich des Kenntnisstands der jeweiligen Person zu untergliedern: ist der Bereich für die Person völlig neu, d. h. müssen erst Grundlagen vermittelt werden (Ausbildung), handelt es sich um eine Fortbildung, die bereits vorhandene Grundlagen erweitern und vertiefen soll, oder handelt es sich um eine Weiterbildung, die thematisch nicht an die aktuelle Tätigkeit der Person gebunden ist, aber beispielsweise zum Erwerb oder zur Vertiefung beruflicher Qualifikationen genutzt werden soll. Eine personenspezifische Anpassung und klare Strukturierung der Lerninhalte ist somit für eine erfolgreiche Erreichung der Ziele unabdingbar. Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Vermittlung der Lerninhalte stellt neben den theoretischen Grundlagen und deren Anwendung eine möglichst praxisnahe Vermittlung des Wissens dar.
Zusammengefasst lassen sich die Zielsetzungen des Vorhabens mit der Förderung der wissenschaftlich-technischen Kompetenzen unterschiedlichster Personenkreise sowie dem Erhalt und der Weitergabe von vorhandenem Knowhow aus dem Bereich Produktkontrolle und Charakterisierung radioaktiver Abfälle beschreiben.
2 Umsetzung
Die Produktkontrolle und die Charakterisierung radioaktiver Abfälle beinhalten zahlreiche Bereiche, die im Rahmen des Vorhabens nicht alle in vollem Umfang abgedeckt werden können. Aus diesem Grund beschränkt sich das Vorhaben zunächst im Wesentlichen auf die Bereiche der zerstörungsfreien messtechnischen Untersuchungen an radioaktiven Abfallgebinden und hier im speziellen auf Messverfahren, welche Gamma- und Röntgen-Strahlen nutzen. Diese Bereiche sollen möglichst vollständig – soweit dies überhaupt möglich ist – Berücksichtigung finden. Bei deren Erarbeitung anfallende Informationen aus anderen Bereichen (z. B. der Alpha- oder Beta-Spektroskopie, von invasiven Untersuchungsmethoden etc.) werden aber mitberücksichtigt, ohne zwangsweise schon die entsprechende Tiefe der Beschreibungen der Hauptbereiche zu erreichen. Bereits bei der Auslegung der umzusetzenden Vorhabenstruktur wird eine einfache Erweiterung auf andere Bereiche berücksichtigt.
Die Grundlage stellt eine auf einem Content Management System (CMS) basierende Webplattform dar, die voraussichtlich über die Webadresse www.educTUM.de zugänglich sein wird. Das CMS stellt die Verbindung zwischen dem Nutzer und den spezifischen Anwendungen bereit. Abb. 1 (blauer Bereich) zeigt den schematischen Aufbau dieses webbasierten Modells.
Abb. 1: Schematische Darstellung des webbasierten Modells zur Nutzung für die Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung, den Kompetenzerhalt sowie die Vermittlung von allgemeinen Informationen aus den Bereichen Produktkontrolle und Charakterisierung radioaktiver Abfälle. Der Nutzer hat Zugriff auf die Weboberfläche eines CMS. Hier kann er ohne Registrierung alle Anwendungen vom Typ A nutzen. Für die personalisierten Anwendungen vom Typ P1 und P2 ist eine einmalige Registrierung erforderlich. Ein Modul zur Bestimmung der Einstufung kann unterstützend genutzt werden. Spezielle praxisnahe Anwendungen sind auf einen externen Server ausgelagert. Dort können Anwendungen mit nutzerspezifischen Einstellungen von verschiedenen Nutzern gleichzeitig ausgeführt werden.
Jede Anwendung entspricht einer speziellen Funktionalität, wie z. B. einer allgemeinen Beschreibung eines Sachverhalts, vertiefte Erklärungen und mathematisch, physikalisch, chemisches Hintergrundwissen, Tutorials mit Übungen, Querverweisen (Literatur, Webseiten etc.), Blogs, FAQs, Simulationstools, Zugriff auf reale Messsysteme etc. Alle Inhalte, die dem Nutzer passiv oder auch interaktiv zur Nutzung über das CMS zur Verfügung stehen, werden als Anwendungen bezeichnet. Diese unterscheiden sich entsprechend der folgenden drei Typen:
- Typ A: allgemeine, frei zugängliche Anwendungen
- Typ P1: personalisierte d.h. nutzerspezifische, zum Teil interaktive, Anwendungen (im CMS)
- Typ P2: personalisierte interaktive Anwendungen (auf dediziertem Server)
Die allgemeinen, frei zugänglichen Anwendungen (Typ A) stehen allen Nutzern zur Verfügung, d. h. eine Registrierung ist nicht erforderlich. Sie enthalten allgemeine Informationen zum Thema Radioaktivität und deren Messung, Produktkontrolle und Charakterisierung radioaktiver Abfälle, ohne auf spezielle Fragestellungen einzugehen oder vertieftes Grundlagenwissen zu vermitteln. Das Ziel dieser Anwendungen vom Typ A ist dem allgemeinen Nutzer einen Überblick über das Themengebiet zu präsentieren, sein Interesse für ein vertieftes Studium zu wecken, ihm weiterführende Hinweise (Links) zu Beschaffung zusätzlicher Informationen bei Behörden, Herstellern und Institutionen sowie auf Literatur und Webseiten etc. an die Hand zu geben. Auch Informationen über Veranstaltungen, Seminare, Kurse etc. können in diesen Anwendungen bereitgestellt werden.
Für die Nutzung der personalisierten Anwendungen vom Typ P1 und Typ P2 ist eine vorherige Registrierung des Nutzers erforderlich. Bei der erstmaligen Registrierung können der persönliche Kenntnisstand und die Interessensgebiete festgelegt werden. Auf der Grundlage dieser Angaben werden die vom Anwender nachfolgend ausgewählten Anwendungen hinsichtlich ihres Informationsgehaltes, ihres Informationsumfanges sowie des Schwierigkeitsgrades der Lern- und Übungsanwendungen angepasst. Eine spezielle Anwendung unterstützt den Nutzer bei den persönlichen Festlegungen. Die Auswahl wird unter Einhaltung der Datenschutzvorschriften gespeichert und bei neuerlichem Einloggen berücksichtigt. Die getroffenen Festlegungen können vom Nutzer jederzeit geändert werden. Diese Personalisierung des Zugriffs ermöglicht neben der Bereitstellung von Anwendungen entsprechend dem jeweiligen Kenntnis- und Interessenstand auch die Speicherung aktueller Bearbeitungszustände von Lern- und Übungseinheiten sowie deren Fortsetzung bei neuerlichem Einloggen. Sie dient auch als erste Schutzmaßnahme gegen unberechtigte Nutzung interaktiver Funktionalitäten. Prinzipiell stehen dem jeweiligen Nutzer alle Anwendungen zur Verfügung, unabhängig von den erforderlichen Vorkenntnissen. Sie sind jedoch gegebenenfalls mit Hinweisen versehen, dass deren Nutzung den aktuellen Kenntnisstand des Nutzers überschreitet, zusammen mit Vorschlägen, wie der höhere Kenntnisstand erreicht werden kann.
Die Inhalte der Anwendungen vom Typ P1 beinhalten hauptsächlich Bereiche, die im Wesentlichen im Rahmen des CMS realisiert werden können. Hierzu zählen beispielsweise
- Lernprogramme zur Vermittlung von Grundlagenwissen und von spezifischem Wissen in Verbindung mit Übungsaufgaben, die interaktiv bearbeitet werden können,
- Beschreibung und Erklärung von Messsystemen unter Einbeziehung von Videosequenzen
- Anleitungen zur Analyse von Messdaten mit Beispielen
Ergänzt werden diese Anwendungen durch (moderierte) Blogs oder FAQs (Frequently Asked Questions), die der registrierte Nutzerkreis auch als fachliches Diskussionsforum nutzen kann. Aus diesen Diskussionen kann wiederum auf noch fehlende bzw. von Nutzern ergänzend gewünschte Anwendungen geschlossen, diese gegebenenfalls realisiert und in das CMS integriert werden. Die Interaktivität mit Nutzern stellt einen wesentlichen Baustein des Vorhabens dar, da nur hierdurch eine ziel- und nutzergerechte (Weiter-)Entwicklung ermöglicht wird.
Die personalisierten Anwendungen vom Typ P2 erlauben dem Nutzer interaktive Anwendungen, die deutlich über die Möglichkeiten eines einfachen CMS hinausgehen. Aus diesem Grund erfolgt die Implementierung dieser Anwendungen auf einem dedizierten Server bei der RCM, auf den über das CMS zugegriffen werden kann. Realisiert wird der Zugriff voraussichtlich über eine containerzentrierte Managementumgebung, welche die Computer-, Netzwerk- und Speicherinfrastruktur im Namen der Benutzer-Workloads koordiniert. Durch diese spezielle Konstruktion stehen dem Nutzer unter anderem folgende Möglichkeiten zur Verfügung:
- Nutzung von kommerzieller Software, wodurch gelernte Inhalte praxisnah umgesetzt werden können.
- Nutzung von Simulationsprogrammen zur didaktisch aufbereiteten Unterstützung der Inhalte der Lernprogramme aus Anwendungen vom Typ P1.
- Durchführung von Messungen mit realer Hardware bei den Projektpartnern.
Durch den personalisierten Nutzerzugang mit individuell konfigurierten Containern besteht für jeden Nutzer die Möglichkeit der Speicherung und Rückholung von Bearbeitungszuständen.
Darüber hinaus können auch betreute Praxis-Workshops zu bestimmten Terminen durchgeführt werden, wobei z. B. die pandemiebedingt gemachten Erfahrungen zu Online-Praktikumsversuchen im Hochschulbereich eingebracht werden können.
2.1 Nutzung (kommerzieller) Programme
Ein wichtiger Aspekt für die Vertiefung der Lerninhalte ist deren Anwendung in der Praxis. Im Fall von Gamma-spektrometrischen Messungen betrifft dies beispielsweise die Datenerfassung und Auswertung unter Verwendung von Programmen, die auch in kerntechnischen Einrichtungen genutzt werden. Hierzu werden verschiedene Hersteller angefragt, ob sie entsprechende (Demo-) Versionen zur Verfügung stellen. Dabei muss aber eine gewisse Mindestnutzbarkeit im Falle von Demoversionen gegeben sein. Erste unverbindliche Kontakte mit Firmen haben zumindest in einem Fall bereits eine prinzipielle Bereitschaft einer kostenfreien Nutzung derartiger Programme (für verschiedenste spektroskopische Anwendungen sowie ein Steuer- und Auswerteprogramm für Fassmessanlagen) erkennen lassen. Ein wichtiger Punkt bei der Bereitstellung derartiger Software ist die Berücksichtigung der Lizenzrechte.
Neben diesen kommerziellen Programmen werden auch bei der RCM vorhandene bzw. von dritter Seite bereitgestellte Softwaremodule, die unter akademischen Aspekten entwickelt wurden, verfügbar gemacht. Hierzu zählen z. B. zwei Module zur Bestimmung der Isotopenzusammensetzung von Uran bzw. Plutonium auf der Grundlage gemessener Gamma-Spektren (vergleichbar mit den Programmmodulen MGA-U bzw. MGA-Pu verschiedener Hersteller), die gegebenenfalls mit einer geeigneten Nutzeroberfläche ergänzt werden und so eventuell nicht bereitgestellte kommerzielle Softwareprodukte (nahezu) gleichwertig ersetzen können.
Für eine realitätsnahe Umsetzung der gewonnenen Kenntnisse in die Praxis ist das Üben mit Programmen, die der Nutzer in der Praxis vorfinden wird, von entscheidendem Vorteil. Simulationsprogramme können zwar das prinzipielle Verständnis von Zusammenhängen verdeutlichen (siehe unten), die Nutzung von kommerziellen Programmen, die oftmals wesentlich mehr Optionen ermöglichen und/oder spezifische Parametrisierungen erfordern, stellen eine deutlich größere Herausforderung dar.
2.2 Nutzung von Simulationsprogrammen
Grundlagen lassen sich durch begleitende Skizzen oftmals besser vermitteln als durch rein textliche Beschreibungen. Simulationsprogramme erweitern diese Möglichkeiten deutlich, da sie auf spezifische Fragestellungen der Nutzer eingehen und diese Sachverhalte visualisieren können, vorausgesetzt sie sind entsprechend flexibel und nutzerfreundlich realisiert. Als ein Beispiel sei der Aufbau eines Gamma-Spektrums genannt, das sich aus zahlreichen Einzelbestandteilen zusammensetzt. Anstelle mehrerer Skizzen können in einem entsprechenden Simulationsprogramm diese Bestandteile farblich kodiert zusammen mit dem Gesamtspektrum dargestellt werden, die Beiträge der einzelnen Bestandteile in Abhängigkeit von ihren Parametern im Gesamtspektrum studiert sowie der zeitliche Aufbau eines Spektrums unter Berücksichtigung statistischer Schwankungen visualisiert werden. Letzteres erlaubt das Studium der Auswirkungen der Messdauer auf die Genauigkeit der Peakflächenbestimmung (Statistik). Derartige Simulationsprogramme, die zum Teil existieren, werden in geeignete Anwendungen transferiert und als Typ P2-Anwendungen zur Verfügung gestellt. Spezielles Augenmerk wird auf die einfache Nutzbarkeit der jeweiligen Anwendungen gelegt, d. h. der Nutzer soll nicht mit den hinter den jeweiligen Anwendungen liegenden technischen Aspekten konfrontiert werden (wie z. B. der Erstellung von Abfrageroutinen für Datenbanken oder eine geeignete Parametrisierung von Monte Carlo Codes), sondern sich vollständig auf den jeweiligen didaktischen Anwendungsaspekt konzentrieren können.
2.3 Messungen mit realer Hardware
Bei RCM aktuell nicht genutzte Messsysteme können für Typ P2 Anwendung modifiziert und so eingebunden werden, dass sie dem Nutzer die Durchführung von weitestgehend realen Messungen ermöglichen, ohne mit dem administrativen Aufwand, der mit einem Zutritt zu Strahlenschutzbereichen erforderlich ist, konfrontiert zu werden. In einem ersten Schritt ist hier an die Bereitstellung von ODL-Messsystemen, NaI-, LaBr3- und/oder HpGe-Detektoren gedacht, vor die wechselnde radioaktive Strahler bzw. Strahlergemische mit und ohne zusätzliche Abschirmung gebracht werden. Weitere Messsysteme sollen schrittweise und nach Verfügbarkeit eingebunden werden. Um das mögliche Problem einer größeren Anzahl an Nutzern als vorhandener Messsystem zu umgehen, erfolgt die Datenaufnahme am Host-System kontinuierlich. Das Messprogramm im Container des Nutzers (Client) ist auf den Startpunkt seiner Messung normiert.
3 Innovation
Die auf einem CMS basierende Webplattform, welche die Verbindung zwischen den Nutzern und den spezifischen Anwendungen ermöglicht, bündelt und ergänzt die an zahlreichen Stellen im Internet, in der Literatur, bei der RCM und weiteren Kooperationspartnern vorhandenen Informationen an einer Stelle, bereitet sie unter didaktischen Gesichtspunkten auf und erleichtert bzw. beschleunigt somit den Zugang zu gesuchten Informationen. Diese Bündelung des (noch) vorhandenen umfangreichen Knowhows an einer Stelle, d. h. in Form allgemein zugänglicher Anwendungen, ist unter dem Aspekt des Knowhow-Erhalts und Wissenstransfers ein nicht zu unterschätzender Wertschöpfungsfaktor für die Zukunft, wie die Praxis bereits aktuell in verschiedenen Einrichtungen zeigt.
Der innovative Ansatz des Vorhabens liegt in der Möglichkeit, erlerntes Wissen auch praktisch anwenden zu können bzw. Vorgehensweisen aus der Praxis testen und üben zu können, ohne die dafür notwendige Infrastruktur vor Ort verfügbar haben zu müssen. Dies erfolgt durch
- Zugriff auf reale Messsysteme bei der RCM (z. B. Dosisleistungsmesssonden, Gamma-Spektrometer etc.),
- Nutzung von quasi virtuellen Messsystemen und virtuellen Probengeometrien, die simulierte Messdaten erzeugen und damit den experimentellen Lernspielraum überhaupt erst zur Verfügung stellen bzw. potentiell bei Nutzern vorhandene Möglichkeiten erweitern,
- Erzeugung von simulierten bzw. Bereitstellung von realen Messdaten zum Herunterladen zur Nutzung in eigenen Analyseprogrammen in verschiedenen Datenformaten,
- Nutzung von Analyseprogrammen, die in der Praxis eingesetzt werden,
- Öffnen der Blackbox, also das Aufbrechen der meist in einer geschlossenen Softwareumgebung vorhandenen Kalibrier-, Mess- und Analysefunktionen in einzelne Anwendungsmodule, wodurch sowohl der Workflow als auch die Verarbeitung der primären Messdaten bis hin zum finalen Analyseergebnis erkennbar, nachvollziehbar und validierbar wird.
Der Zugriff auf die hierfür erforderlichen Ressourcen erfolgt voraussichtlich über eine containerzentrierte Managementumgebung, welche auf einem externen Server realisiert und von der RCM betrieben wird (grüner Bereich in Abb. 1). Mit diesen Möglichkeiten können die in den verschiedenen Anwendungen vermittelten Inhalte, die im CMS gebündelt und zur Verfügung gestellt werden, so praxisnah wie möglich vertieft werden. Der gleichzeitige Zugriff mehrerer Nutzer wird realisiert und die jeweils getroffenen individuellen Einstellungen können gespeichert und bei der nächsten Nutzung weiterverwendet werden.
4 Ausblick und zeitlicher Rahmen
Das Vorhaben startete am 1. Juli 2023. Bis Ende 2023 soll ein großer Teil der „technischen Realisation“ abgeschlossen sein, welche vor allem die Bereitstellung des CMS und dessen grundlegende Funktionalität betreffen. Parallel hierzu wird der dedizierte Server mit dem Container-basierten System aufgesetzt und mit der Verknüpfung mit dem CMS begonnen. Dieser anspruchsvolle zweite Teil der „technischen Realisation“ stellt die Grundlage für den Einsatz kommerzieller Programme sowie für die Durchführung realer Messungen dar.
Zeitgleich wird mit der Erarbeitung der zu berücksichtigenden „Lerninhalte“ begonnen. In einem ersten Schritt werden die im Vorhaben zu berücksichtigenden Themengebiete ermittelt und weiter ausgearbeitet. Dieser Teil fokussiert sich auf die Bestimmung des grundlegenden Inhalts des CMS, des strukturellen (statischen) Inhalts, der den Nutzern zur Verfügung gestellt werden soll. Jedes Themengebiet wird zunächst allgemeinverständlich beschrieben (ggf. unterstützt durch Skizzen, Fotos, Videos etc.). Diese Beschreibungen bilden u. a. die Grundlagen für Anwendungen des Typs A. Anschließend wird jedes einzelne Themengebiet in seinem Detaillierungsgrad immer weiter verfeinert und die zum jeweiligen Verständnis erforderlichen Grundlagen (ggf. als neue Themengebiete) ermittelt. Der Detaillierungsgrad und die damit zum Verständnis erforderlichen physikalischen und chemischen Kenntnisse eines Nutzers werden in einen Parameter (Kriterium) übergeführt, der für eine wissensangepasste Vermittlung der Inhalte genutzt wird. Die Inhalte aller Themengebiete werden kontinuierlich durch Verweise auf bereits existierende Webseiten, frei zugängliche Publikationen und weiterführende Literatur ergänzt und in ihrer Auswahl an den Kenntnisstand des Nutzers angepasst.
Aus den ermittelten Themengebieten wird ein Themenbereich ausgewählt, der für die nach einem Jahr Projektlaufzeit vorgesehene Evaluierung bevorzugt umgesetzt werden soll. Der Bereich muss einfach genug sein, um dem relativ engen Zeitplan gerecht zu werden, andererseits aber auch die wesentlichen Aspekte (Inhalt, Funktionalität, Didaktik) demonstrieren. Für die Vermittlung der didaktisch aufbereiteten Inhalte werden u. a. folgende Instrumente eingesetzt:
- Statische Texte
- Visuelle Inhalte (Skizzen, Bilder, Videos)
- Interaktive Komponenten (z. B. Lösungen zu Aufgaben werden online „korrigiert“)
- Interaktive Programme zur Durchführung von Simulationen (z. B. Entstehung eines Gamma-Spektrums); die Simulationen basieren z. T. auf echten Messdaten
- Nutzung praxisnaher (kommerzieller) Programme (z. B. zur Datenanalyse)
- Durchführung realer Messungen in Echtzeit
Hierbei soll vor allem bei der RCM bereits vorhandenes Material bzw. von weiteren Personen und/oder Firmen nach deren Freigabe und ggf. durchzuführenden Anpassungen eingebunden werden um nach Möglichkeit bereits existierende Ressourcen zu nutzen.
Ein wichtiger Punkt der “Lerninhalte” stellt die (Selbst-)Kontrolle des Lernfortschritts dar. Diese erfolgt über einfache Multiple Choice-Fragen und durchzuführende Berechnungen, deren Ergebnisse automatisch ausgewertet werden und bei Fehlern auf die entsprechenden Stellen der Lerninhalte verweisen, Aufgabenstellungen, deren Beantwortung interaktiv begleitet wird und bei Fehlern mit erklärenden Informationen bei variablem Detailierungsgrad unterstützen, virtuell zusammenzustellende Messsysteme (d. h. aus einem vorgegebenen Hardware-Pool ist ein für die jeweilige Aufgabenstellung geeigneter Messaufbau zusammenzustellen) und anschließender Durchführung und Auswertung der Messung (durch Nutzung der entsprechenden Simulationsmodule) etc. Der Schwierigkeitsgrad ist hierbei dem jeweiligen Nutzerprofil angepasst und der Inhalt soll inhaltlich ständig erweitert und ergänzt werden.
Das Arbeitspaket „Kommunikation“ beinhaltet alle Arbeiten, die in Zusammenhang mit der Verbreitung der erzielten Ergebnisse sowie der Interaktion mit potentiellen Anwendern und Vermarktern stehen. Nach einem Jahr Vorhabenlaufzeit wird ein erstes Nutzertreffen bei RCM organisiert, bei dem die aktuellen Ergebnisse vorgestellt werden. Dieser Nutzerkreis wird aus interessierten externen Personen aus verschiedenen Bereichen bestehen (d. h. Anwender, Gutachter, Techniker, Wissenschaftlern), aber auch aus Personen, die ihr Interesse z. B. aufgrund von Präsentationen des Vorhabens zeigen. Aus diesem Kreis soll ein Beratungsgremium gegründet werden, welches neben einer kritischen Begleitung des Vorhabens auch bei der Erarbeitung eines nachhaltigen Verwertungskonzepts unterstützt. Weitere Nutzertreffen bei RCM sind im Abstand von jeweils einem Jahr vorgesehen. Rückmeldungen (Kritik, Anregungen, Ergänzungen etc.) werden ggf. eingearbeitet und die Anwendung anschließend allgemein freigegeben. Das generelle Ziel ist hierbei eine möglichst schnelle uneingeschränkte Bereitstellung von qualitativ und didaktisch hochwertigen Anwendungen.
Ergänzend zu den oben beschriebenen Arbeiten wird zum Ende des Vorhabens Mitte 2026 eine „Summer School“ bei RCM organisiert. Sie richtet sich an den mit dem Vorhaben angesprochenen Nutzerkreis, speziell aber an Studenten, Doktoranden und Postdocs. Der Teilnehmerkreis soll auf 15 bis maximal 20 Personen beschränkt werden, um eine intensive Vermittlung der im Vorhaben bearbeiteten Themen in Theorie und Praxis mit ausreichend Zeit für Diskussionen zu ermöglichen.